Soziokultur im Klösterchen

Gründung, Entstehung, Einrichtungsprofil und Konzeption des "Soziokulturelles Zentrum Klösterchen" Herzogenrath

Als im Jahr 1995 ein altes Klostergebäude- genannt Klösterchen- in Herzogenrath zur Nutzung frei wurde, bemühten sich viele Personen, Gruppen und Institutionen in der Kommune Herzogenrath darum, dies wie schon lange vergeblich versucht als Treff- und Aufführungs/Veranstaltungsort belegen zu können. Es bildete sich eine Projekt- und Konzeptgruppe, die inhaltliche Punkte zusammenfasste und Bedürfnisse austarierte und als Pendant und Verhandlungspartner gegenüber der Firma VETROTEX (zum Saint Gobain-Konzern in Paris gehörend und damaliger Eigentümer) fungierte.

Nach der Erstüberlegung, das Gebäude als Bürgerhaus zu nutzen, konnte sich aber schließlich eine Mehrheit durchsetzen, die es als Kulturzentrum und nach dem Willen das damaligen- Förderverein Arbeit und Umwelt in der Region Aachen e.V.- wie jetzigen Trägers - noch mit dem Qualitätsanhang - und Kultur seit 1996- als soziokulturelles Zentrum nutzen wollten, um von der Mehrheitsidentität diesen Qualitätsbegriff auch als Ansporn für eine inhaltliche Entwicklung/Weiterentwicklung als Maßstab im Auge zu behalten. So wurde der Förderverein schlußendlich in 1996 sogenannter Hauptmieter mit gemeinnützigem Charakter.

Als Zentrum auf dem Land mit unmittelbarer Nähe zu Aachen, wo das kulturelle und zivilgesellschaftliche Leben nicht zuletzt auch wegen des dortigen studentischen Milieus völlig anders verankert ist, war uns rasch klar, dass wir unser Haus würden völlig anders aufbauen und entwickeln müssen und dass wir für die ersten Jahre notwendig in die gesamte Breite von soziokulturellen Aktivitäten und Bildung würden gehen müssen, um überhaupt die Gründungsphase überstehen zu können.

Dabei war uns die Soziokultur als Anker deswegen überaus wichtig, weil es uns um Interessen und Bedürfnisse aus möglichst vielen kulturellen, sozialen und politischen Quellen und deren Schnittpunkte ging und geht. Außerdem bezeichnet dieser Fach- und Qualitätsbegriff eine direkte Hinwendung von uns als Kultur-einrichtung und einzelnen Akteuren zur gesellschaftlichen Wirk-lichkeit und zum Alltag der mit ihr in Kontakt stehenden Menschen und betrachtet sie nicht ausschließlich als BesucherInnen, sondern als redlich am gesamten kulturell zu beteiligenden Geschehen mit einer partizipativen Grundhaltung.

Aufgrund der damaligen Ausgangssituation war es den GründernInnen außerdem mehr als wichtig und sympathisch zugleich, sich in direkter Entwicklungslinie der 68er Bewegung zu sehen, der sie selbst entstammten und die wie die Friedens-, Umwelt-, Frauen- und Jugendbewegung, die seinerzeit nach neuen gesellschaftlichen Frei- und Spielräumen gesucht hatten, sich in dieser neuen und transformierten Form als Bewegung und Ort auf dem Land zu etablieren. Weitgehende Selbstverwaltung und demokratische Entscheidungsstrukturen in dieser Kultur von unten galten und gelten als fundamentale Kennzeichen dieser Einrichtungsgründung.

Ziel war es von Beginn an, die alltägliche Lebenswelt in die Kulturarbeit einzubeziehen und die Wechselwirkungen von Kunst, Kultur und Gesellschaft in den Blick zu nehmen und in das soziokulturelle Geschehen vor Ort zu implementieren. Ästhetik, Kommunikation, soziale Bedürfnisse und die Fähigkeiten aller Beteiligten dienen dabei einander und der Zielerreichung des gemeinsamen zivilgesellschaftlichen Engagements und führen so zu einer kulturellen Chancengleichheit und fördern gleichzeitig das demokratische Bewusstsein und Handeln.

Neben der Etablierung als Veranstaltungsort hat auch die kulturelle Bildung unserer bescheidenen Wahrnehmung nach auch auf dem Land- oder wegen geringerer Optionen dort- gerade auch da erheblich an Bedeutung gewonnen. Diese Form der Bildung fußt nicht oder nicht alleine auf kognitives Lernen und schon gar nicht mit abprüfbaren Ergebnissen, sondern befähigt zum schöpferischen Arbeiten und regt zur aktiven Rezeption von Kunst und Kultur an. Wir merken das in unserer Arbeit immer dann, wenn Menschen spürbar Lust auf etwas haben, es sich dann aber doch nicht anzugehen trauen, weil sie sich selbst meist ihre Fähigkeiten ausreden. Das Infragestellen von außen ist dann allenfalls eine negative Bestärkung der eigenen Wertung. Besonders auch bei Menschen aus anderen kulturellen Kontexten, die als Geflüchtete zu uns kommen, ist es erschreckend festzustellen, wie rasch sie in eben dieses selbe Muster zu kippen drohen, selbst, wenn alle Primärbedürfnisse befriedigt zu sein scheinen. Hier sind dann die Schritte zu mehr Bildungsgerech-tigkeit ebenso als wirkungsvoll anzusehen, wie bei erwerbsarbeitslosen Menschen oder denen aus klassisch bildungsfernen Milieus, mit denen wir es hauptsächlich auf den anderen Sektoren unserer gemeinnützigen Arbeit in den Bereichen Arbeit und Umwelt zu tun haben. Werden Lerninhalte neben formalisierter schulischer Bildung indes auf multimethodische Weise an vor allem junge, aber auch ältere    Menschen herangetragen, ergeben und entwickeln sich plötzlich völlig neue schöpferische Potentiale. Kunst und Kultur macht in diesem Kontext- so könnte man formulieren- stark und ist, wie z.B. rückständige Pädagogen immer wieder zu suggerieren versuchen, keine Bildungszeitverschwendung- ganz im Gegenteil- und zudem bleiben solche multisensual erworbenen Kenntnisse ganz sicher länger in der Gesamterinnerung haften. In manueller Handhabung und in Bewegung lassen sich eben andere Lernerfolge erzielen.

Dieses zarte Wissen und diese bisher immer nur punktuell gemachten Erfahrungen wollen wir zu verstetigen versuchen und in Curricula der Lerndiversität zu transformieren versuchen. der deutschen Gräuelgeschichte ist eben im Rahmen der Erinnerungsarbeit etwas wesentlich anderes, als Zeitzeugen zuzuhören, Filmbeiträge zu schauen und scheinbar nebenbei auch noch Stolpersteine zu reinigen, um die Erinnerung aufzupolieren, um ein Beispiel aus der Erinnerungsarbeit exemplarisch zu benennen. Lesehäuser zu bauen, dazu die passende Literatur für spezifische Zielgruppen auszusuchen und selbst zu lesen oder vorzulesen, hat eben eine andere Dimension und auch Qualität. Oder scheinbar wertlose Möbel mit allerdings guter stofflicher Ausgangsqualität an Holz und Bezug neu zu gestalten, schafft einen praktischen Beitrag zur Klimafrage und läßt zudem statt nur die Co2-Belastung zu bemessen die Zukunftsfrage in einem anderen Licht erscheinen und die Wertschätzung für durch andere Menschen manuell Entstandenes wachsen.

Wilfried Hammers
zivilgesellschaftlich engagierter Leiter des Kulturzentrums